Russland - Der Grosse

Das Verlassen von Kasachstan lief speditiv ab und auch die Russen empfingen uns gut organisiert trotz grossem Ansturm. Im kleinen Ort Smeinogorsk erledigten wir wie immer die nötigen Dinge. Da wir jedoch eher unvorbereitet eine Sache nach der anderen in Angriff nahmen, passierten wir viermal dieselbe Polizeikontrolle im Dorf. Beim 4. Mal erschien es den Polizisten jedoch etwas dubios. So wedelten sie freundlich mit ihrem Stock. Nach der Überprüfung unserer Dokumente fragten sie uns ungeduldig, weshalb wir so oft hin und her fuhren. So zeigten wir in die eine Richtung und sagten «Rubel, Bank» dann in die andere Richtung «Benzin» weiter in die nächste Richtung «Tele 2, SIM-Karte» und nun in die letzte Richtung «Do svidanija». Sie lachten, es schien als hätten sie uns verstanden. So zogen wir weitere über die sehr gute Strasse ins Landesinnere.

 

Kurz vor Barnaul parkten wir am Strassenrand um uns eine Pause zu gönnen als ein Jäger neben uns hielt. Der komplett in Camouflage gekleidete Mann begann mit uns über den Bus zu sprechen. Obschon er kaum ein Wort in Englisch konnte, haben wir doch die wichtigsten Worte rund um den Bus schon in den letzten Länder Zentralasiens kennengelernt. Seine Begeisterung war so gross, dass er uns kurzerhand mit zu sich nach Hause nahm uns dort mit Tee versorgte. Während seine Frau das Abendessen vorbereitete zeigte er uns alle seine Jagdtrophäen, auch der Bär unter seinem Bett. Als die Nachbarn eintrafen gab es ein, zwei, drei «nur» kleine selber gebrannte Schnäpsli und der Trinkspruch wurde extra für uns von Google übersetzt. Nach einem währschaften Abendessen ging Ale traditionell mit den Frauen Beeren sammeln für einen frischen Kompott während Ädu mit den Herren das Feuer für die Banja entzündete. Jevgen erklärte uns mit viel Geduld wie wir nun die Birkenzweige in der extrem heissen Saune verwenden müssten. Nach dieser traditionellen Dusche wartete er schon mit einem kühlen Bier auf uns. Dank den niedrigen Temperaturen nach Sonnenuntergang war es für uns einfach nachvollziehbar wie schön ein solches Bad bei minus 40 Grad sein muss. Kein wunder hat hier jeder eine eigene Banja zu Hause.

 

Am nächsten Morgen verliessen wir die gastfreundliche Familie und fuhren bis zur Stadt Barnaul. Kaum im Stau der Stadt angekommen stieg uns ein unangenehmer Geruch in die Nase. Nach einer Sichtkontrolle ums Fahrzeug war schnell klar, die linke hintere Bremse hatte sich nicht gelöst. Da wir den Bus nicht komplett anheben konnten um eine saubere Demontage durchführen zu können, suchten wir die nächste Werkstatt auf. Die nahegelegene Lada Garage war bereit uns zu helfen. Schnell bemerkten wir, wir befinden uns wieder in einem gut, zu gut organisierten Land. Nach dem ersten Papierkrieg erhielten wie einen Termin für in 2 Stunden. Nach der kurzweiligen Wartezeit wurde uns aus Versicherungstechnischen Gründen das Beisein während der Reparatur verweigert. Doch Ädu machte ihnen klar, dass es sich hier um Sicherheitsrelevante Teile handelt und er deshalb zwingend dabei sein wolle. So schlossen sie alle Tore um im verborgenen Ädu die Demontage gleich selber durchführen zu lassen. Sie waren so fair und gaben zu, wenig Kenntnis über dieses Fahrzeug zu haben. Unter Beobachtung der ganzen Belegschaft zerlegte Ädu die linke Bremstrommel, reinigte diese vor dem erneuten Zusammenbau. Einen Schaden konnten wir jedoch keinen feststellen.

 

 

So folgten wir weiter der Strasse bis nach Novosibirsk.
Schon in Kasachstan begegneten wir täglich dem russischen Cousin vom Bus, der Buchanka (UAZ). Mit unseren beiden Lada Freunden kamen wir auf die lustige Idee ein solches Fahrzeug für Wintercamping auszubauen. Diese absurde Idee reifte seit den letzten 1000km in unseren Köpfen. Da wir uns gerade im UAZi-Land befinden, hält uns nichts mehr auf, diesen genauer anzuschauen. So peilten wir direkt die UAZ Vertretung in Novosibirsk an. Da wohl jeder Russe schon etliche Male mit einem solchen Fahrzeug gefahren ist, war es für den Verkäufer sehr verwirrend, als wir nach einer Probefahrt fragten. Doch unsere Idee gefiel ihm, so fuhr er mit uns aus der Stadt. Auf einem schäbigen Feldweg übergab er Ädu das Steuer. Zu Beginn eher zurückhaltend, aus Gewohnheit vom Bus, fuhren wir gemütlich dem staubigen und anspruchsvollen Weg entlang. Der Verkäufer jedoch, trieb Ädu immer wieder an die Geschwindigkeit zu erhöhen und die Unebenheiten nicht zu umfahren. Dieses kleine 4x4 Fahrzeug hat uns nun komplett in seinen bann gezogen.
Zurück im Showroom wurden wir dem Hauseigenen Tuning Spezialisten vorgestellt. Dieser präsentierte uns stolz alle seine Winter-Extras wie Isolierung oder Jagdhaube. Mit dem Prospekt und einer Preisliste verliessen wir glücklich den Händler.

 

Dies ist mal wieder Typisch, kaum das eine Projekt beendet schon die nächste Idee im Kopf.

 

Den Abend verbrachten wir direkt am Strand am Ob. Während die Sibirier in Shorts und Bikini fröhlich im Sand Volleyball spielten holten wir schon unsere warmen Jacken hervor. Da wurde uns so richtig klar, die Sibirier haben ein komplett anderes kälteempfinden.

Am nächsten Tag besuchten wir die Stadt so, wie es wohl die meisten Touristen in Novosibirsk machen.

Nach gut 2 Tagen Fahrt erreichten wir das 830km entfernte Krasnojarsk. Nachdem wir bei einem Pneu Händler uns einen eingefahrenen Nagel entfernen liessen suchten wir ein kleines Hostel auf, eine Dusche war notwendig. Den nächsten Tag bestritten wir gemütlichen. So gönnten wir uns nach einem kurzen Bummel auf dem Boulevard ein stolzes Frühstück in einem Hotel. Gut gestärkt schlenderten wir über die schöne Tatysev-Insel, wo wir den kleinen, zutraulichen Murmeltierchen begegneten. Die österreichische Sesselbahn brachte uns auf einen der zahlreichen Hügel im Nationalpark Stolby. Einen kurzen Spaziergang durch die dichten Wälder gab uns endgültig das Gefühl für Sibirien.
Bevor wir die Stadt verliessen um unsere nächste Fahretappe in Angriff zu nehmen besuchten wir den Supermarkt Lenta. Unsere Augen glänzten, als wir vor dem gefüllten Käseregal standen. Die bekannte Aufschrift «Emmi» stach uns sofort ins Auge. Raclette und Greyerzer, das muss wohl ein Traum sein. Gut bepackt mit tollen Sachen die das Reisen schöner machen, erreichten wir erneut die Strasse welche uns weiter in Richtung Süd-Osten führte.

 

Unsere mit abstand längste Etappe steht uns bevor, 1300 km bis zum Baikalsee. So machten wir uns früh morgens von unserem versteckten Schlafplatz zurück auf die Strasse. Nach knapp 2 Stunden Fahrt entschied sich der Bus keinen weiteren Lastwagen mehr zu überholen, der Gaszug war gerissen. Das neue Seil war schnell aus unserer Ersatzteile Kiste hervorgeholt. Wir erwarteten eine eher einfache und kurze Reparatur, so begannen wir mit dieser direkt auf dem «Pannenstreifen». Leider haben wir nicht mit der schlechten Laune unseres Buses gerechnet. Die Zuversicht war stärker als unsere Vernunft und so zogen wir das alte Seil ohne eine Einzugshilfe mitzuführen raus. Schnell merkten wir wie blöd das gerade von uns war, denn die letzte Durchführung durch den Kühler war nicht so einfach zu erwischen. Dazu kam die rücksichtlose Fahrweise der Lastwagen welche mit voller Geschwindigkeit in unmittelbarer Kopfnähe an uns vorbei donnerten. Trotzdem legte Ale sich unter den Bus und versuchte ihr Bestes als erneut ein Donnern heranbrauste. Doch dieses Donnern war lauter und hielt an. Die Erde begann zu beben und damit auch der Bus. Sehr beängstigt suchte Ale eine erklärende Geste bei Ädu, welcher sich hinter dem Bus befand. Nichts als davonlaufende Füsse waren für sie zu erkennen. Völlig ausgeliefert lies Ale dieses unerträgliche Geräusch und das Beben über sich ergehen. Es fühlte sich an wie eine halbe Ewigkeit bis endlich das Geräusch sich langsam beruhigte und sich auch der Boden wieder stabil anfühlte. Die Erleichterung war riesig, doch was war das gerade? Wir befanden uns knapp 1km hinter der Startbahn der Kansker Air Base und dieses Geräusch war ein startender Jet. Nachdem kurz darauf der zweite Jet ohrenbetäubend über unseren Kopf düste, entschieden wir uns doch einen anderen Platz zu suchen. Die nächste Strasse welche wir vorfanden, war natürlich die Zufahrtsstrasse zum Militärgelände. Die Beamten hatten nicht wirklich Verständnis und schickten uns weiter bis zur nächsten Servicestelle. Notdürftig blockierten wir mit einem Schraubenzieher den Gashebel um uns so langsam zum Platz fahren zu lassen. Nach knapp 3 Stunden und etlichen Versuchen kamen auch die dunklen Regenwolken über den Bäumen zum Vorschein. Ob der Bus Mitleid mit uns bekam oder wir einfach Glück hatten, sei dahingestellt. Mit den ersten herunterfallenden Regentropfen erwischten wir endlich die mühsame Durchführung. Wir beendeten unsere Reparatur in Höchstgeschwindigkeit und warfen alles in den Bus, um den Schutz der überdeckten Tankstellte zu suchen. Total verschmutzt trat Ale an die Kasse der Tankstelle, legte einige Scheine auf die Tresen um die Säule freischalten zu lassen. Die Damen hatten wenig Gehör für ihr Bedürfnis, mehr beschäftigte sie der Grund für die verschmutzten Hände. Nachdem die Tanksäule dann doch endlich freigeschaltet wurde, widmete sich Ale dem waschen, während die Damen zu Ädu an die Säule stürmten. Schockiert schimpften sie einander an. Ädu erkannte das Missverständnis und erklärte ihnen, dass unsere schmutzigen Hände nicht von der Tanksäule kamen, sondern von unserem Auto.

 

Sauber und gut gestärkt verliessen wir unseren nördlichsten Punkt der Reise, Kansk. Leider gelang uns die Flucht vor dem Regen bis zum Abend nicht. So entschieden wir uns gegen einen Schlafplatz im matschigen Wald und stellten uns stattdessen bei einem Rastplatz direkt vor ein Motel. Kaum unter der warmen Decke, parkte ein Kühllastwagen direkt neben uns. Womit wir nie gerechnet hätten, dieser Kühlwagen kühlt wohl nur mit laufendem Motor. Das brummen dieser Maschine summte uns in den Schlaf und weckte uns früh morgens wieder auf.

 

Am nächsten Tag erreichten wir endlich die Stadt Irkutsk. Diese liessen wir jedoch unbeachtet hinter uns liegen und fuhren auf direktem Weg zum lang ersehnten Baikalsee. In einem kleinen Dorf kurz vor dem See kauften wir uns noch das nötigste ein um uns ein feines Abendessen am See zu kreieren. Da trat Valentin ins Geschäft. Er sprach uns direkt an. Wohin wir nun fahren wollen und ob wir denn Musik mögen? Er erklärte uns, er sei auf dem Weg zu einem Festival direkt am See, falls wir Lust hätten sollen wir ihm folgen. So kamen wir doch noch zu einem Open Air in diesem Sommer. Was gehört zu einem richtigen Open Air in der Schweiz? Ein feines Raclette! Wie schön konnten wir uns im Bus ein bisschen Heimat vortäuschen.
So genossen wir das Wochenende mit russischer Musik und einer traumhaften Aussicht auf die Insel Olchon.

 


Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Nik (Sonntag, 02 September 2018 11:57)

    Hallo ihr lieben

    Auso längwilig isches öich ja nie u brichtä si witerhin spannend. Oh wed idee vom Buchanka (UAZ) cool isch hani no meh fröid adä lokis wo d ale druf isch. Wär fasch nachä fürne chlinä dampfloki usflug.
    Häbet sorg u gniessets fest!
    Liebä gruess us bärn

  • #2

    Chrigu CHA (Donnerstag, 20 September 2018 16:50)

    Heja Zämä

    Das isch wieder ungloublech. Dir sit no ungerwägs u sit scho am Shoppä u äuä am planä für di nächschtä Feriä.
    Guet... Eigentlech machet dir aues richtig.
    Hoffentlech stresseternech mit öiem ändziel nid zfescht u chöit trotz dä streckenä woder zrüg leget das doch no chli gniässä.
    So dir wäutäbummler, wiiterso u hautetnis ufem louffändä.
    Gruess u Prooscht

  • #3

    Chrischte (Samstag, 22 September 2018 15:52)

    Es ist schön, von Eure Berichte zu lesen und zu vernehmen, dass es Euch gut geht. Ich wünsche Euch weiter alles Gute viel Glück und ein Haufen Schönes!
    Chrischte

  • #4

    schäg (Sonntag, 23 September 2018 22:06)

    Endli hani au zit ka, eue bricht zläse. I freue mi scho uf dä nöchsti. An Teil davo hani jo dörfe miterläbe. Und i wet do au no verkünde, dass eue Traum vom eigne VAZi jo scho a klizeklisesbizeli wohr wore isch ;-). I bi jo däbi gis.